- Kann man bei zwei hintereinandergeschalteten Leitungsschutzschaltern vollständige Selektivität erreichen?
- Warum löst manchmal nur einer und manchmal beide LS aus?
- Grafischer Vergleich der Auslösekennlinien
- Kurze Einführung zum Thema „Koordinationstabellen“
- Dieses Video wurde freundlich unterstützt von dem gemeinnützigen Verein: www.nh-hh-recycling.de
Was ist Selektivität?
Wenn die Sicherung der Küche aufgrund eines Defektes im Toaster durchbrennt, möchte man im Flur noch Licht haben, um unfallfrei zum „Sicherungskasten“ zu kommen. Wenn während eines Urlaubs aufgrund einer fehlerhaften Außenbeleuchtung ein Leitungsschutzschalter auslöst, ist ein gleichzeitiges Abschalten der Kühltruhe und ein damit verbundenes Auftauen aller Lebensmittel unerwünscht. In beiden Fällen hilft eine geschickte Auswahl der Überstromschutzorgane: Löst ein Fehlerstrom nur die Sicherung unmittelbar vor der Fehlerquelle aus, anstatt eine vorgeschaltete Schutzeinrichtung ebenfalls abzuschalten, spricht man von Selektivität.
Relevanz des Themas Selektivität
In beiden zuvor genannten Beispielen ist der maximal zu erwartende Schaden überschaubar. Anders ist der Fall meist bei Anlagen im gewerblichen Bereich gelagert. Bei Rechenzentren kostet beispielsweise jeder aufgrund fehlender Selektivität unnötig abgeschaltete Bereich Geld und bringt in extremen Fällen sogar kritische Infrastruktur und damit letztendlich Menschenleben in Gefahr. Deshalb müssten hier eigentlich äußerst hohe Ansprüche an die Versorgungssicherheit gestellt werden – eigentlich.
Nachbesserungsbedarf vor allem in Rechenzentren
In der Realität werden diese Anlagen mittlerweile intensiv hinsichtlich verschiedener Aspekte der IT-Sicherheit durchleuchtet. Der ebenfalls essenzielle Faktor der Sicherheit der elektrotechnischen Infrastruktur wird jedoch häufig übersehen: Die elektrotechnische Anlagenverfügbarkeit ist in vielen Installationen fragil. Dieser Zustand kann ohne weiteres über lange Zeit hinweg unbemerkt bleiben. Erst im Fehlerfall zeigen sich die Auswirkungen. Fehlerwahrscheinlichkeiten werden dabei zumeist unzureichend eingeschätzt, da entsprechende Prognosen in der Regel auf Ereignisse der Vergangenheit zurückgreifen. Hier ergeben sich im Prozess jedoch leicht systematische Fehler und zudem ist die Datenlage bei den eingesetzten jungen Technologien ungenügend.
Welche Faktoren für Selektivität beachtet werden müssen
Damit bleibt lediglich die Möglichkeit, die Energieversorgungen robust auszulegen. Selektivität der Schutzorgane ist dabei ein wichtiges Kriterium und es ist nicht trivial, diese zu erreichen. Bei Schmelzsicherungen gilt unter bestimmten Bedingungen das Verhältnis der Bemessungsströme von 1:1,6. Meist werden jedoch Leitungsschutzschalter oder eine Mischung aus Schmelzsicherungen und Leitungsschutzschaltern eingesetzt. Für Leitungsschutzschalter untereinander müssen dabei der maximale unbeeinflusste Kurzschlussstrom sowie die Koordinationstabellen der Hersteller beachtet werden. Für gemischte Anordnungen kommt es auf die Reihenfolge der Schutzorgane sowie auf deren jeweilige Auslösekennlinien an. Dabei muss nicht nur berücksichtigt werden, ob diese auf I2t-Werten beruhen, sondern auch, welche Energiebegrenzungsklasse die Bauteile besitzen. Oft wird nur eine Teilselektivität für den Überlastfall, nicht jedoch eine vollständige Selektivität, die auch den gesamten Kurzschlussbereich abdeckt, erreicht.
Auch wenn alle genannten Punkte bei der Anlagenplanung berücksichtigt sind, kann die Versorgungssicherheit noch nicht immer garantiert werden. So gibt es in Rechenzentren und Industrieanlagen viel Abwärme, die zusätzlich mit einbezogen werden muss, denn Leitungsschutzorgane werden auf unterschiedliche Weise von der Umgebungstemperatur beeinflusst. Zudem sind in einigen Bereichen nach Norm RCDs oder Brandschutzschalter gefordert, welche ebenfalls bezüglich der Selektivität abgestimmt werden müssen.
Fazit
Selektivität in der elektrotechnischen Infrastruktur ist ein wesentlicher Punkt bezüglich der Anlagenverfügbarkeit. Fragile Zustände bleiben oft über lange Zeit unentdeckt. Die kritische, qualifizierte Überprüfung der Zusammenstellung der Komponenten zahlt sich früher oder später aus.
Dieses kostenlose Lehrvideo …
… betrachtet einen meist missverstandenen Teilbereich der Selektivität: Die Selektivität von hintereinandergeschalteten Leitungsschutzschaltern. Ich erkläre grafisch anhand der Auslösekennlinien, warum Selektivität nur im Überlastfall, in der Regel aber nicht im Kurzschlussfall zu erreichen ist. Dabei zeige ich die Selektivitätsgrenze laut Diagramm und führe in den Umgang mit den Koordinationstabellen der Hersteller ein, um dann die Selektivitätsgrenze laut Koordinationstabelle zu beleuchten.
Viel Spaß mit dem Video!
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