Wie schließt man einen Motor an, der nur eine Spannung und einen Strom auf dem Typenschild hat, aber keine Angabe zur Schaltungsart?

Eine interessante Frage hat mich jetzt schon mehrfach erreicht: Wenn man einen Drehstrommotor hat mit nur einer Spannungsangabe und nur einem Bemessungsstrom auf dem Typenschild aber keiner Angabe dazu, ob in Stern oder Dreieck geschaltet werden soll. Wie schließt man diesen Motor dann richtig an? Diese Frage hat mich viel Zeit zur Recherche gekostet und sie ist bis heute (Stand siehe am Ende des Artikels) noch nicht final beantwortet. Einiges habe ich aber schon herausgefunden und darüber werde ich im Folgenden berichten:
Recherche im Internet
Wie Du vielleicht schon gemerkt hast, findet man im Internet oft widersprüchliche Antworten, also auch eine Menge Falsches. Eine Idee, das beschriebene Problem zu lösen, habe ich in einem Forum gefunden. Dort schlug jemand vor, die zugeführte Leistung zu berechnen und dann anhand des Wirkungsgrades abzuschätzen, ob der Motor in Stern oder in Dreieck geschaltet werden muss. Er wendete also die Formel P=U*I*Wurzel3*cosPhi an und berechnete die zugeführte Leistung. Anschließend behauptete er, da er ja die Formel für die Dreieck-Leistung genommen habe und die zugeführte Leistung ähnlich groß sei, wie die abgegebene Leistung vom Typenschild, müsse es sich um eine Dreieckschaltung handeln. Dieser Schluss ist leider nicht richtig und das hat auch einen ganz einfachen Grund: Die oben beschriebene Formel für die zugeführte Leistung gilt sowohl für Stern- als auch für Dreieckschaltung unter Nennbedingungen – und Nennbedingungen sind ja gerade die Bedingungen, die auf dem Typenschild zu finden sind.
Eine ausführliche Beschreibung zum Wirkungsgrad und der zugeführten sowie der abgegebenen Leistung findest Du hier. Warum die Motorleistung bei Stern-Dreieck-Anlauf im Stern nur 1/3 der Leistung beträgt, erfährst Du hier.
Umfrage im Lehrerzimmer
Die meisten meiner Lehrerkollegen sagten, wenn nur eine Spannung und ein Strom auf dem Typenschild zu finden sei, dann sei das grundsätzlich die zulässige Spulenspannung. Eine ähnliche Aussage hatte ich auch noch in Erinnerung und wenn ich einen Motor bauen würde, würde ich es auch so machen, denn so wäre sichergestellt, dass der Anwender die zulässige Wicklungsspannung durch die Art des Anschlusses nicht überschreitet. Eine Quelle dazu fehlte mir allerdings und bisher konnte auch niemand anderes mir sagen, „wo das geschrieben steht“.
Fachliteratur
In den einschlägig bekannten Fachbüchern zur Elektrotechnik fand ich über dieses Thema ausnahmslos: nichts. Zwar werden in allen möglichen Tabellenbüchern, Fachkundebüchern und Büchern über Elektromotoren die Typenschilder (bzw. Leistungsschilder) behandelt, jedoch ist nirgends der Fall berücksichtigt, dass nur eine Spannung, aber weder Stern noch Dreieck auf dem Schild zu finden sind.
Die Norm: VDE 0530
In der VDE 0530 ist genau festgelegt, welche Angaben auf dem Typenschild (dort wird es Leistungsschild genannt) gezeigt werden müssen. Die Schaltungsart gehört nicht dazu – entgegen der Behauptung einiger Fachbücher. Was jedoch laut VDE 0530, Teil 1 zwingend enthalten sein muss für Maschinen mit Bemessungsleistungen >3kW ist die Bemessungsspannung. Diese alleine bringt uns allerdings leider nicht weiter.
Von der Schaltungsart ist, wie gesagt, nicht explizit die Rede. Jedoch habe ich eine andere interessante Passage gefunden: Verpflichtend ist es, in der Nähe des Motorklemmbrettes den Motoranschluss zu beschreiben. Dies kann laut Norm in Textform oder als Schaltbild geschehen.
Hinweise für den Anschluss … mittels Schaltbild oder Text in unmittelbarer Nähe zu den Klemmen.
VDE 0530
Ein Beispiel
Die oben genannten Hinweise in der Nähe der Motorklemmen können beispielsweise folgendermaßen aussehen:


Ein Verdacht
Vielleicht gibt es einen solchen Motor ja gar nicht in der freien Wildbahn. Immer, wenn jemand mir diese Frage stellte, konnte er nur ein Typenschild aus einer alten Gesellenprüfung vorzeigen. Es könnte also durchaus sein, dass es einen solchen Motor in der Realität gar nicht gibt und dass das Typenschild nur zur Abfrage eines bestimmten Prüfungsinhaltes entworfen wurde, für den der Motoranschluss nicht relevant war.
Schwarmintelligenz
Jetzt bist Du gefragt! Hast Du schon eimal einen realen Motor mit einem solchen Typenschild gesehen? Dann würde ich mich sehr freuen, wenn Du mir ein Foto von der Maschine insgesamt, eins vom Typenschild und eins von den Angaben in der Nähe des Motorklemmbretts schicken könntest. Aber auch Deine anderen schönen Fotos von den Hinweisen in der Nähe eines Typenschildes nehme ich sehr gerne. Ich bin gespannt, was wir zusammen herausfinden! Vielleicht habe ich ja auch etwas übersehen?
Aktueller Stand: bis heute nichts gefunden (11.03.2022)
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